LUZERN: Jugendliche begeistern mit makabrem Spiel

Mit «Fleet Street» übertrifft sich der Verein Musical Fever selber, die Inszenierung begeistert auf allen Ebenen. Dabei ist die Geschichte eigentlich nicht zum Lachen.

Die neue Produktion «Fleet Street» des Vereins Musical Fever lehnt sich an den Film «Sweeney Todd» von Tim Burton an. Dahinter stecken acht Monate intensive Arbeit. Das Resultat präsentieren die 30 jungen Darsteller und das ambitionierte Orchester in der Aula der Kantonsschule Alpenquai. Vom ersten Moment an reagieren die Zuschauer mit begeistertem Szenenapplaus und viel lautem Gelächter auf die grandiose Show. Dabei ist die Geschichte von Sweeney Todd eigentlich alles andere als zum Lachen. Vielmehr wird im Laufe der gut zwei Stunden klar, was der Begriff «makaber» bedeuten kann.

Fleisch von unerwarteter Seite

Das stimmige Bühnenbild entführt die Zuschauer in ein düsteres London von 1854, in das Sweeney Todd zurückkehrt. Einst wurden ihm Frau und Kind entrissen, er selber wurde unschuldig verurteilt. Nun sinnt er auf Rache, bleibt aber als Barbier unter falschem Namen vorerst unerkannt. Unter seinem Barbiersalon backen zwei Schwestern Fleischpasteten, jedoch reicht das Fleisch nie aus. Nachschub kommt bald von so unerwarteter Seite, dass dies beim Publikum für eine höchst reizvolle Gefühlsmischung zwischen Ekel und Amüsement sorgt. Die Zuschauer jedenfalls kreischen ungeniert erfreut auf, wenn wieder jemand Mister Todd zum Opfer fällt. Ein Extralob für die Konstruktion des sehr speziellen Stuhls, der diesen Vorgang visuell hervorragend unterstützt.

Hinreissend verdrehte Augen

Zum Verein Musical Fever gehören fast 200 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 14 und 26 Jahren, die ihre verschiedenen Talente in die alljährliche Produktion eines Musicals investieren. Es ist kaum zu glauben, dass jeder Bereich von den jungen Leuten selber übernommen wird: Regie, Produktionsleitung, Choreografie, musikalische Leitung, Textbuch, Liedtexte, Maske, Kostüme – es ist schlicht fantastisch, was da auf die Beine gestellt wird. Mit Schultheater hat dies nichts mehr zu tun.

Zwanzig Songs führen stimmig und in einem ansprechenden Mix an Stilrichtungen durch die Geschichte. Die Choreografien stehen den berühmten Zombie-Auftritten in Michael Jacksons «Thriller»-Video in nichts nach. Und wie die Spielerinnen und Spieler «gfürchig» gucken oder die Augen verdrehen können, ist hinreissend. Regie führt Mark Jenni, der nach fünf Jahren im Cast erstmals die Seite wechselt. Der 23-jährige Philosophiestudent zeigt sich nach der frenetisch gefeierten Premiere fast sprachlos: «Es war einfach nur wunderschön, dem Spiel zuzusehen und zu erleben, wie alles geklappt hat.»

Wer selber erleben möchte, was junge Menschen realisieren können, wenn Enthusiasmus, Talent und sehr viel Fleiss investiert werden, reserviert sich am besten sofort einen Platz.

Yvonne Imbach